Warum schreibe ich?
Das bin ich: Helli, 60 Jahre, frisch getrennt. Es ist Juli 2025.
Warum schreibe ich? Ich habe mein Leben lang gerne geschrieben. Mit 14 habe ich angefangen Tagebuch zu schreiben. Es ist mir ein Vergnügen, die Dinge, die sich in meinem Kopf bewegen, niederzuschreiben, Gedanken festzuhalten und damit aus meinem Kopf zu bekommen. Wenn ich nachts nicht schlafen kann, stehe ich auf und schreibe runter was mich beschäftigt.
Mit 17 habe ich einen Beitrag für eine Kirchenzeitung geschrieben, der für großes Aufsehen gesorgt hat. Das Thema war „Ehe ohne Trauschein“ – ein 17jähriges Mädchen, das mit ihrem Freund zusammengezogen ist. Das Mädchen war ich. Meine Mutter hat mich damals als Redakteurin der Zeitung unterstützt. Selbst unser damaliger Pfarrer hat sich auf dieses Thema eingelassen. Es gab heftige Diskussionen und böse Leserbriefe.
Schreiben fällt mir leichter als reden. Warum? Vielleicht weil Papier zuhören kann. Vielleicht weil Papier keine Fragen stellt, sondern die Möglichkeit bietet, Antworten zu finden. Vielleicht weil Papier nicht an Zeiten gebunden ist, keine Arbeit, keine Ablenkung – es ist einfach da und hat Zeit. Vielleicht um festzustellen, dass die Herausforderungen des Lebens und die damit verbundenen Gedanken sich wiederholen. Vielleicht weil es schön ist, nach einer Zeit festzustellen, dass sich doch so vieles verändert hat und am Ende alles gut ist. Papier hat keine Meinung, keine guten Ratschläge – das liebe ich am Schreiben.
Nun gut, heute schreiben wir weniger auf Papier als auf dem Computer oder Handy. Aber am Ende ist es doch ähnlich. Oder doch nicht? Papier kann ich zerreißen, und es ist eine Genugtuung. Wenn ich mich verschreibe, bleibt das Geschriebene stehen, auch wenn es durchgestrichen ist. An meiner Schreibschrift kann ich meine Stimmung ablesen. Keine Rechtschreib- oder Grammatikprüfung. Die Kommasetzung sitzt oder eben nicht.
Als ich vor etwa sieben Jahren nach Italien gezogen bin, um mich dort auf eine neue Beziehung einzulassen, habe ich Abschied genommen von Tagebüchern, die ich mein ganzes Leben lang aufbewahrt hatte. Es war etwa ein halbes Jahr nach meinem Jakobsweg, der mir geholfen hat, einen Teil meines Lebens loszulassen. Und so wollte ich auch diesen Teil meiner Vergangenheit hinter sich lassen. Ich wollte nicht, dass jemand die Bücher findet und darin liest. Ich wollte sie aber auch nicht mitnehmen.
Ich setzte mich in den Garten mit einer gußeisernen Schüssel, machte ein kleines Feuer und verbrannte Buch für Buch – natürlich nicht, ohne vorher noch einmal zu lesen, wie ich so mit 16, 18, 25, 30, 40 und 50 gedacht habe und was mich damals bewegt hat. Mir ist aufgefallen, dass es sich in der Hauptsache um Liebeskummer drehte, später dann auch um Probleme und Herausforderungen im Zusammenhang mit den Kindern oder bei der Trennung von einem oder anderen Partner (es waren nicht viele, aber eine Trennung ist eine Trennung). Es war der Fluss meiner Gedanken, durch meine Hand auf das Papier. Nichts Spannendes, keine Geschichten, teilweise nur Satzfetzen. Und ich war damit fertig. Es war okay. Als alle Bücher verbrannt waren, fühlte ich mich ein wenig leichter.
Wenn ich mir vorstelle, dass ich nur meinen Computer starte und eine Taste drücke, um all das Geschriebene zu löschen – das wäre zu einfach. Der Prozess ist nicht beendet, es ist kein Loslassen, sondern eben nur Löschen, Verdrängen in den Papierkorb. Ich kann kein Blatt behalten, weil dort ein schöner Vers steht oder eine kleine Zeichnung ist. All das fällt weg.
Ich schreibe also gerne. Warum will ich diese Seite gestalten? Weil ich der Meinung bin, dass wir viel zu wenig die Meinung der anderen, den „point of view“, einfach nur anhören. Wir diskutieren, bis er oder sie das dann eingesehen hat. Diese Seite soll meinen Blickwinkel auf verschiedene Themen wiedergeben – ohne Wertung, ohne Rechthaberei, einfach nur meinen „point of view“. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen, eine Sache einmal von einer anderen Seite zu betrachten und zu überdenken. Wie gesagt, es geht nicht darum, Recht zu haben; es geht darum, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Vielleicht findest Du ja das ein oder andere Thema, das Dich gerade bewegt. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Stöbern,
H.